Wer 1976 in meiner Heimatstadt eine Mercedes S-Klasse fuhr, wohnte meist in einer Straße, deren Namen auf Allee endet. Hier wurde der W116, an uralten Kastanien vorbei, aus der Garage über Kies zur Grundstücksausfahrt chauffiert. Kies, der beim Überfahren dieses vornehme Knirschen produziert, das so unwiderstehlich nach großer weiter Welt klingt. Das war aber längst nicht alles, was der 11 Jährige Blondknirps damals auf dem Schulweg vor dem Tor von Dr. Schmatz (*Name geändert, war mit 14 unsterblich in seine Tochter verknallt) Prägendes vor`s Ohr geworfen bekam. Das satte, sich selbsterklärende ins Schloss fallen der Fahrertür, fräste sich ebenso vom Trommelfell ins Langstreckengedächtnis wie der unaufdringlich kraftvoll blubbernde Achtzylinderton der blauen S-Klasse von Dr. Schmatz.

40 Jahre danach stehe ich vor einem anderen blauen Mercedes W116. Er ist eines von nur 4.734 Exemplaren, die die Werkshallen 1976 mit „kleinem“ Achtzylinder und kurzem Radstand verließen. Zum Jahreswechsel 2015/16 waren in Deutschland nur noch 613 Exemplare des 350ers zugelassen. Inklusive der Langversion. Schon beim ersten Anblick werden mir Sinn und Bedeutung des Wortes zeitlos klar. Der gut ausgestattete 350SE in der hinreißend schönen Farbkombination 904 blau / Velours Pergament passt auch heute noch perfekt ins Panorama. Egal ob auf der Autobahn, der Landstraße, oder vor der Oper. Die letzten vier Jahrzehnte haben dieser S-Klasse ein paar kosmetische Irritationen zugefügt, doch Technik und Substanz des Autos sind überdurchschnittlich gut. Also gab es kein langes Nachdenken, als der schöne Blaue zu haben war. Endlich kann ich den Kies wieder hören. Und die alten Kastanien duften auch wie früher…